Nikkaluokta nach Abisko (nördlicher Kungsleden)

Ich weiß nicht, ob generell die Aussage gilt „gegen den Strom schwimmen ist gut“, aber beim Wandern auf dem nördlichen Kungsleden war es auf jeden Fall eine sehr gute Entscheidung von uns. Denn der nördlichste Abschnitt ist touristisch wirklich sehr überlaufen und 99 Prozent der Menschen, denen wir begegnet sind, gingen ihn von Abisko nach Nikkaluokta und nicht, so wie wir, von Süd nach Nord.

Der Vorteil daran ist einfach, dass man einen anderen Abschnittrhythmus hat und so die Einsamkeit, die wir ja so sehr in der Natur genießen, doch eher findet. Doch in Summe waren auch wir oft überrascht, dass wir als einzelnes Zelt an einem schönen Platz einschliefen und am nächsten Morgen einige Zeltnachbarn hatten 😊. Aber Stille, Ruhe, pure Natur, keine Zivilisationsgeräusche, keine Hektik, Weite und beeindruckende Natur(gewalten) und wunderschöne Wanderstrecken, findet man auf diesem Abschnitt des nördlichen Kungsleden natürlich dennoch, auch wenn einem täglich viele viele Touristen begegnen. (Dies haben wir einfach auf dem südlichen Kungsleden und den anderen Wanderwegen komplett anders erlebt, daher waren wir wohl auch ein wenig „geschockt“).

Berge sind definitiv nicht gleich Berge und Fjäll nicht gleich Fjäll, stellten wir wieder mal fest. Denn während auf dem südlichen Kungsleden die Bergpanoramen sich in weiter Ferne abzeichnen, so ist es im Norden eher so, dass man zwischen den Bergen durchwandert. Rechts und links vom Wanderweg scheinen die Berge quasi greifbar nah und wirken unfassbar hoch und gewaltig neben einem (auch wenn die schwedischen Berge gar nicht so hoch sind). Man selbst fühlt sich ja eh oft sehr klein neben diesen wahnsinnigen Felskolossen und steht wie ein kleines Kind staunend vor ihnen. Häufiger Begleiter bei diesem Abschnitt war für uns, neben den türkisblauen Seen und Bächen, sehr viel Wind. Worüber wir uns natürlich sehr freuten, da er die Mückenanzahl auf Null reduzierte und gleichzeitig waren es aber oft so starke Boen, dass es uns in einer Nacht nicht nur Teile vom Zelt zerriss, sondern ich es auch beunruhigend fand, über noch mehr wackelnde Schwingbrücken zu gehen oder auch befürchtete, mit dem schweren Rucksack beim Schrittmachen umgepustet zu werden. Es passierte nichts und wir hatten auch zum Glück nie Gegenwind, aber es war echt, insbesondere für mich, ein neues Erlebnis und eine neue Erfahrung. Tobi liebt Wind, Regen und Sturm, eben doch sehr der nordische Typ wie Mack 😊, wohingegen ich kein Schönwetterwanderer bin, aber trockene, windstille um die 12 Grad finde ich super. Egal, so oder so ist man einfach der Natur mit allem drum und dran „ausgeliefert“ und das macht es herausfordernd, aber ja auch so spannend, faszinierend und schön.

Es war wirklich ein mega mega schöner Wanderabschnitt von ca 102 Kilometern, der unheimlich grüne Berge zeigte, viele Hängebrücken über volle Bäche, etliche Wasserfälle an den Berghängen oder auch einige Passagen über Geröll und viele weite Bachdeltas. Aufwachen mit Blick auf eine Rentierherde am anderen Flussufer und zahlreiche Regenbögen gehörten auch mit dazu und auch mit nassen Zeltboden aufwachen, weil der Bach sich über Nacht deutlich verbreitert hatte und der Zeltboden nicht soooo viel Wasser aushielt wie gedacht.

Wie schnell das Wetter, auch im Juli, in den Bergen umschwenken kann, erfuhren wir am letzten Tag dieser Etappe. Wir waren schon aus den Bergen runter im Tal gelandet und zum Wechsel von Sonne und Regen kam ein wirklich eisiger Wind. Als wir uns noch mal umschauten mit Blick zu den Höhen, wo wir gestern noch bei Sonnenschein gewandert waren, war alles weiß gepudert. Es hatte über Nacht dort geschneit und wir hofften sehr für die Wanderer, die uns mit Sneakers und kurzer Hose entgegengekommen waren, dass sie im Rucksack ausreichend warme Kleidung dabei hatten.

Ein paar Kilometer bevor wir Abisko erreichten, gab der Fluss neben uns noch mal alles. Wirklich tosendes, türkises Wasser donnerte zwischen den Felswänden hindurch und zeigte die Riesenkraft, die dahinter steckt. Es war schon fast etwas kidschig, als über dem Zielpunkt, also genau da, wo unsere geplante Tour enden würde, ein Regenbogen auftauchte, aber schön war er natürlich dennoch. Es war ein komisches Gefühl, nun Abisko erreicht zu haben. Der Ort, den wir ja doch unterbewusst seit Mitte April immer im Hinterkopf gehabt hatten, war nun erreicht und auch wenn wir von den geplanten 2400 Kilometern bisher „nur“ 1200 gewandert sind und die restlichen jetzt nach und nach noch folgen, so war und ist das „Projekt Schweden der Länge nach von Süd nach Nord“ ja nun erst mal vorbei. Da darf man auch mal ein wenig sentimental werden und stolz, froh und glücklich natürlich gleichzeitig auch.

Es dauert sicher eine ganze Weile, bis wir die Bilder, Erlebnisse und Eindrücke verdaut haben. So gehen wir es gerade langsam an, genießen den Sommer, holen Schlaf nach, Mack genießt den Schatten und wir werden demnächst Abschnitte, die wir übersprungen haben, wie zum Beispiel das Fjäll rundum Grövelsjön oder das ok Gebiet der Rogen, nachholen und auch weitere neue Wege, wie zum Beispiel den Wanderweg Höga Kusten (an der östlichen Küste entlang) gehen. So gehen die Berichte hier dann natürlich auch weiter: und jedem Ende wohnt ein Anfang inne 😊

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