
Wie abwechslungsreich Schweden und wie vielfältig seine Natur ist, bestätigte sich für uns wieder einmal, als wir die nördliche Ostküste erkundeten. Vom fast nördlichsten Ostküstenzipfel ging es los. Wir fuhren von Luleå über Piteå nach Umeå und erkundeten die Städte und ihre Umgebung und wanderten zudem noch Teile vom Höga Kusten Leden ebenso wie Abschnitte vom Skuleskogens Nationalpark. Aber mal der Reihe nach.
Die Ostküste ist hier vielmehr der bottnische Meerbusen und damit nicht wirklich ein offenes Meer, wie man es vielleicht aus so manchen Ostseeurlauben im Kopf hat. Blickt man hier auf das „Meer“, sieht man in der Ferne doch immer wieder ein Stückchen Land. Sei es eine der wunderschönen, kleinen vorgelagerten Inseln oder sei es eine Landzunge, die weit in das „Meer“ hineinragt. Finnland kann man jedoch nicht sehen oder wir sahen es nie 🙂 Auch wenn es nicht das „klassische“ Meer ist, so haben wir auch hier viele Orte gefunden, wo der Blick auf das Wasser eine unheimliche Weite hatte. Eine Weite, die ähnlich wie die Weite im Fjäll, eine sehr schöne Ruhe ausstrahlt und, zumindest auf uns, einfach so schön beruhigend wirkt und einen durchatmen lässt.
Wir erlebten Luleå bei strahlendem Sonnenschein und während Tobi einige Outdoorläden unsicher machte, genoss ich mit Mack die Hafenatmosphäre und schlenderte an den Geschichtstafeln zum 400.-jährigen Jubiläum von Luleå entlang. In der Ferne lagen die riesengroßen Eisbrecher für die Winterzeit schon bereit und ich konnte mir bei dem schönen Wetter schwer vorstellen, wie hier irgendwann alles so kalt und mit dicken Eisschichten zugefroren ist, dass ihr Einsatz notwendig ist. Auf einem kleinen Platz neben der Promenade waren einige kleine Buden mit Leckereien aufgebaut, es gab einen großen Kinder- und Wasserspielplatz und viele sehr bunt bestückte, große Blumenkübel. Es wirkte auf mich irgendwie alles sehr schön bunt, froh und harmonisch, sodass ich uns einen Platz suchte, für mich in der Sonne und für Mack im Schatten, und dem bunten Treiben einfach entspannt zusah, bis Tobi von seiner Shoppingtour erfolgreich und zufrieden zurückkam.
Einen Stellplatz für unseren Caddy hatten wir übrigens direkt am Meerbusen in Kängsön gefunden, etwas nördlich von Luleå. Es war ein super Startpunkt für den Ausflug nach Luleå oder zu einer Wanderung in ein weiteres wunderschönes Naturreservat (Bälingeberget) mit vielen Felsformationen und uralten Bäumen und Weitblick auf den Meerbusen und für den Ausflug zum Weltkulturerbe „Gammelstads Kyrkstad“. Dies ist eine sogenannte Kirchstadt, deren Minihäuschen zum Teil noch bewohnt sind und zum anderen gibt es hier ein wirklich sehr schönes Freilichtmuseum. Schon im 14. Jahrhundert wurde diese Gemeinde zu einem sehr wichtigen Zentrum des Handels, der sich von der Küste bis hinauf in die Berge zur norwegischen Grenze ausdehnte. In Schweden gab es insgesamt 71 Kirchstädte, von denen heute nur noch 16 existieren. Gammelstadt ist Schwedens größte und am besten erhaltene Kirchstadt mit 408 Häuschen. Wir schlenderten durch das Dorf und gingen auch ebenso gern in das Freilichtmuseum. Auf dem großen Platz inmitten des Museums konnte man sich gut vorstellen, wie hier früher und wohl auch noch heute mehrmals im Jahr, die Menschen zusammenkommen und ihre Gemeinschaft aktiv leben und wie früher, als bis hierhin noch das Meer ragte, großes Handelstreiben war. In einigen Häusern hatten sie das Leben von damals nachgebaut bzw. saßen Personen in der damaligen Kluft , die man zu „damals“ befragen konnte. Und eine einfache, aber super spaßige Attraktion für Kinder: ein großer Heuboden war offen, in dem man von einer leichten Anhöhung reinspringen konnte. Die Kinder hatten echt einen riesengroßen Spaß dabei und auch wenn wir nicht springen durften, war es schön zu sehen, dass „Entertaiment“ manchmal so einfach sein kann. Nach den vielen, naturreichen Wandertagen war dieser Ausflug ein schöner, bereichernder Gegensatz und die Ruhe an unserem Stellplatz in Kängsön war im Anschluss auch wieder sehr schön 🙂
Einen Tag später ging es dann noch weiter gen Süden: nach Piteå bzw. in das nahegelegende Naturreservat Sandängesstranden. Wie der Name schon vermuten lässt, gibt es hier kilometerlange Sandstrände und unzählige Spazier- und Wanderwege auf sandigem Boden durch pure Kiefernwälder. Begleitet von dem intensiven Kiefernadelgeruch spazierten wir ein wenig kreuz und quer durch das Naturschutzgebiet bis wir zum Meer gingen. Am Wasser wechselte der Geruch dann sofort in den bekannten „Meersalzgeruch“ inklusive steifer Brise, sodass hier schon viel mehr ein „Meerfeeling“ aufkam als in Luleå. Viele Schweden waren an dem sonnigen Tag trotz Wind hier vor Ort und hatten sich in den kleinen Dünenfelder ein windgeschütztes Eckchen gesucht, um Sonne zu tanken. Eine sehr gemütliche, entspannte Atmosphäre, aber wir genossen es mehr, ein wenig am Wasser entlangzuschlendern und hier das Gesicht in die Sonne zu halten. Muscheln sucht man hier oben an den Stränden übrigens vergebens, so war mein Eindruck, aber dafür gibt es viele bunte und unterschiedlich geformte Steine.
Auf dem Weg von Piteå nach Umeå entdeckten wir per Zufall eine mega schöne Strandbucht bei Lövånger. Als wir ankamen hatten wir lange Zeit einen kleinen Ministrand nur für uns allein, konnten die Solardusche in einen Baum hängen und entspannt duschen und es kam ein wunderbares Urlaubsgefühl auf. Bei der Wanderung selbst ist es ja nicht wirklich ein Urlaub, auch wenn man arbeitsfrei hat, sondern es ist mehr eine Reise oder eben ein Abenteuer, das mit Urlaubsmomenten gespickt ist. So oder so, dieser Ort hatte es uns einfach angetan und so blieben wir statt einer Nacht drei Nächte, um uns erst dann weiter Richtung Süden aufzumachen, da der Plan ja eigentlich war, den Högen Kusten Leden zu wandern. In dieser Bucht war es wirklich wie am Meer. Nicht nur, weil Segelschiffe und in ganz, ganz weiter Ferne auch Fähren oder Frachter vorbeifuhren, sondern auch weil es hier hellen Sandstrand gab, glasklares Salzwasser und stets immer eine kleine oder große Brise. Wunderbar an dieser Bucht war auch, dass es unfassbar viele Himbeeren gab. Sie waren sehr klein, aber zuckersüß und einfach lecker. Einige kleine Wanderungen machten wir hier auch und waren sehr angetan von den felsigen Wegen entlang der Küste, die immer wieder durch kleine Wald- oder Moorabschnitte unterbrochen wurden. Besonders an diesen kleinen Wanderungen war auch, dass auf einmal im Grunde im „nichts“ Schilder mit historischen Erklärungen standen. So wurde auf alte Wikingerbehausungen verwiesen oder Steinöfen der russischen Flotte oder Unterkünfte von früheren Robbenjägern. Manchmal konnten wir die Grundrisse dieser Steinbauten noch erkennen, manchmal war es jedoch eher nur ein „Steinhaufen“, der viel kreative Vorstellungskraft erforderte. Auf jeden Fall war es immer eine Bereicherung für die Wanderung.
Nach drei sonnigen und wunderbar entspannenden Tagen ging es dann weiter in die nächste Ostküstenstadt: Umeå. Sie hat den Ruf einer sehr wichtigen Kulturstadt Schwedens und das merkten wir bereits beim Schlendern entlang der Promenade. Design- und Künstlerschulen reihen sich hier aneinander und es sind einige Kunstwerke zu sehen oder selbst Parks, die immer einen besonderen Springbrunnen, extravagante Bänke oder andere Beispiele für Kunst, Kultur und Kreativität verdeutlichen. Es gibt hier viele alte Backsteingebäude und gleichzeitig auch viele moderne Bauten mit riesengroßen Fensterfronten – ein ganz schöner Kontrast. Nach einem kurzen Spaziergang zog es uns aber wieder schnell raus aus der Stadt und weiter gen Süden, denn eigentlich hatten wir ja den Plan, den Höga Kusten Leden zu wandern.
Da diese Berichte ja immer im Nachgang geschrieben werden, weiß ich gerade nicht mehr genau, an welchen schönen Orten wir noch einen Übernachtungsstop einlegten bevor wir in Hornöberget, dem Startpunkt vom Höga Kusten Leden, ankamen. Aber eins sei auf jeden Fall noch erwähnt: in Örnsköldsvik gibt es ein Outlet, das für alle Outdoorfans eine echte Fundgrube ist. Wir machten auch einen Stop :-). Nicht nur stark reduzierte Bekleidung unterschiedlichster Marken kann man hier finden, sondern eben auch „Wanderzubehör“ vom Kocher über Brennstoff bis hin zu Bechern. Also man muss auch ein wenig Glück haben, da das Sortiment immer wechselt, aber es hat sich gelohnt.
Die Lust auf eine Wanderung über mehrere Tage mit Rucksack und Zelt war nun wirklich groß. Also fuhren wir weiter gen Süden, parkten unser Auto in Hornöberget und machten uns auf den Höga Kustenleden. 130 Kilometer standen vor uns und nicht nur Mack freute sich sehr, dass es wieder los ging. Nach einem recht straßenlastigen Einstieg erwartete uns ein Wechselspiel als felsigen Steilküsten, Sandstränden, Wäldern, Mooren und dazu immer wieder Aussichtspunkte/Lichtungen, von denen wir den unfassbar weiten Blick auf das Meer mit seinen zahlreichen kleinen vorgelagerten Inseln genossen. Der Höga Kusten Leden hatte auch einige lange Straßenabschnitte dabei entlang von großen Feldern und Wiesen, aber es war irgendwie ein guter Mix von sehr unterschiedlichen Wegen. Wir sind den Höga Kusten Leden nicht komplett gelaufen, da Mack sich am Vorderbein an seinem neuen Rucksack großflächig wundgescheuert hatte und wir erst einmal eine Pause einlegten, damit seine Wunde heilen konnte. Recht schnell war klar, dass er seinen Rucksack erst einmal nicht mehr tragen kann und wir damit bei einer mehrtätigen Tour sein Futter für ihn tragen müssten. Da kommen schon ein paar Kilo Hundefutter zusammen. Geübt im Umplanen, schlossen wir das Buch Höga Kusten Leden und schoben zu einem späteren Zeitpunkt noch drei Wandertage im Nationalpark Skuleskogens, durch den der Höga Kusten zum Teil auch geht, ein. Und auch hier waren wir wieder von den Felsküsten, den Bäumen, die scheinbar ohne Probleme auf Steinen wachsen und den immer aus dem Nichts kommenden Weitblicken auf das Meer beeindruckt. Das „Berühmte“ an diesem Nationalpark ist eine enorm große Schlucht, die im Film Ronja Räubertochter vorkam und dadurch „berühmt“ wurde. Unabhängig von ihrem Bekanntheitsgrad war sie wirklich sehr beeindruckend. Man fühlt sich zwischen diesen riesengroßen Felsen so unglaublich klein und durchquert diese Schlucht mit einem irgendwie fast schon ehrfürchtigen Gefühl. Als wir sie durchquerten war es zudem schon später Nachmittag, sodass es recht frisch war und die Steine diese „Kälte“ auch zurückstrahlten. Es hatte etwas Mystisches oder vielleicht sogar ein stückweit auch Unheimliches. Nachdem wir gut über die vielen Steine in der Schlucht geklettert waren, landeten wir an einem wunderschönen See, an dem wir direkt einen Zeltplatz fanden, sogen noch die letzten Sonnenstrahlen in uns auf, bevor wir nach dem Abendessen müde und glücklich ins Zelt krochen. Am nächsten Tag ging es bei Sonnenschein und schöner Wanderwettertemperatur von 14 Grad über Felsen und Wurzeln wieder bergab, immer wieder mit Blick auf das Meer, bis wir die Küste erreichten und zwischen Sandbucht und Wald einen erneuten schönen Zeltplatz direkt am Meer fanden. Da es hier viele Stellplätze gab, war es hier recht voll im Vergleich zu sonst, aber dennoch konnten wir natürlich hier den Tag wunderbar ausklingen lassen bevor wir am nächsten Tag in den frühen Morgenstunden zurück zum Caddy wanderten. Es ist immer wieder schön und macht große Freude, gemeinsam neue Gegenden von Schweden zu entdecken.